Neue Orgel St. Martin

Neue Orgel St. Martin

Aufbruch in die Moderne

Die musikalische Arbeit an St. Martin in Kassel ist seit Jahrzehnten von der Begegnung mit zeitgenössischer Musik geprägt. Komponisten wie Dieter Schnebel, Charlotte Seither, Isabell Mundry, Marek Kopelent, Lucia Ronchetti und viele andere standen immer wieder im Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit.

Die neue Orgel steht im Kontext dieser Spurensuche zeitgenössischer Musik. Das Instrument sucht in seiner klanglichen, technischen und visuellen Konzeption neue Wege der Vernetzung der genannten künstlerischen Parameter.

In dem Instrument der Firma Rieger Orgelbau vereinen sich exemplarisch in bisher nicht realisierter Weise Expressivität, Mikrotonalität und radikale künstlerische Gestaltung.

Die flexible Windregulierung wurde für das gesamte Werk, die einzelnen Teilwerke unabhängig voneinander und nicht zuletzt für jeden einzelnen Ton realisiert. Alles mit mechanischer Traktur, die maximale Sensibilität gewährt.

Der Versuch, größte klangliche Expressivität durch den Wind zu erreichen, wird außerdem im vierten Manual umgesetzt, dessen durchschlagende Zungenregister 32', 16' und 8' im Spieltisch auf einem eigenen Balg untergebracht sind. Diesen Balg kann der Spieler unmittelbar beeinflussen.

Dem Pfeifenbau, der Spieltraktur, der Registertraktur sowie der Intonation wurde höchste Aufmerksamkeit zuteil. Ein Beispiel für viele kann hier genannt werden: in der Setzeranlage können sämtliche Schleifenpositionen gespeichert werden.

Eine Frage beschäftigte die Orgelkommission intensiv: Wie können die Anforderungen an Teiltöne über der Halbtonskala in einer Orgel realisiert werden? Komponisten fordern dies heute mehrheitlich. Der Orgelbau hat darauf bisher keine Antwort gefunden, die einen definierten Zugriff erlaubt. Hier beschreitet die neue Orgel St. Martin Neuland, indem das vierte Manual vierteltönig ausgebaut wurde. 24 Töne pro Oktave stehen den Komponisten hier zur Verfügung. Die technische Umsetzung lehnt sich, nach intensiver Recherche, an den historischen Cembalobau mit Subsemitonien an.

Nicht zuletzt ist auch die Visualisierung des Klangkörpers ein radikaler Schritt in die Gegenwart. In einem gesonderten Wettbewerb konnte der norwegische Künstler Yngve Holen die Jury mit seinem Konzept überzeugen, das er mit Unterstützung des Architekten Ivar Heggheim verwirklichte.

Der künstlerische Entwurf von Yngve Holen hebt die Schwere des Baukörpers durch skulpturale Leichtigkeit auf und transformiert den Klang der Pfeifen in sichtbare Bewegung. Rhythmisch gestaffelt, greifen die minimalistisch gestalteten Orgelpfeifen die Architektur des Kirchenbaus auf, ohne dabei die Leichtigkeit der Gestaltung zu stören.

Bilder der neuen Rieger Orgel an St. Martin